Statement Jessica Tatti, MdB Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), zu den schleppenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts in Sachen Nord-Stream-Sprengung
„Chinesische Forderung nach UN-Untersuchung unterstützenswert“
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bundesregierung überhaupt nicht wissen will, wer für den verheerenden Anschlag auf die deutsche Energie-Infrastruktur verantwortlich ist“, sagt Jessica Tatti (BSW).
Die Reutlinger Bundestagabgeordnete hatte zu den Nord-Stream-Anschlägen vom 26. September 2022 mehrere schriftliche Fragen an die Bundesregierung gerichtet:
- Wie die Regierung zum Vorschlag einer internationalen Untersuchung der Sprengung von Nord Stream steht – zumal Dänemark und Schweden im Februar 2024 ihre Ermittlungen eingestellt und Material an deutsche Ermittler weitergegeben hatten (hier geht es zur Schriftlichen Frage an die Bundesregierung und deren Antwort),
- und welche Schlussfolgerungen die Bundesregierung aus der Aussage von Thomas Krüger, MdL inMecklenburg-Vorpommern, zieht, die US-amerikanische Regierung habe „während der Trump-Administration zur Durchsetzung ihrer Interessen sich auch direkt in Mecklenburg-Vorpommern mit geheimdienstlichen Mitteln gegen Nord Stream 2 gestellt“ (spd-fraktion-mv.de/aktuelles/pressemitteilungen/krueger-amerikanische-geheimdienste-versuchten-in-mv-nord-stream-2-zu-verhindern sowie www.nordkurier.de/regional/mecklenburg-vorpommern/us-geheimdienste-in-mv-agenten-wollten-nord-stream-2-verhindern-2654507) -> hier geht es zur Schriftlichen Frage an die Bundesregierung und deren Antwort
Dazu heißt es in der Antwort aus dem Justizministerium: „Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag einer internationalen Untersuchung unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen nicht. Sie vertraut den Ermittlungen des GBA [Generalbundesanwalts].“
Zu den brisanten Untersuchungsergebnissen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern schreibt das Innenministerium lapidar: „Keine Erkenntnisse, kein Kommentar“.
Die beiden plausibelsten Theorien lieferten bislang US-Investigativjournalist Seymour Hersh, wonach Taucher der US-Marine die Pipelines gesprengt haben, sowie Recherchen verschiedener Medien, nach denen sie von einem Kommando aus der Ukraine zerstört wurden. Jessica Tatti: „In beiden Fällen stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung bei zwei ihrer engsten Verbündeten nicht energisch darauf drängt, dass dieser Terroranschlag gegen die Bundesrepublik Deutschland endlich vollständig aufgeklärt wird.“
Die unlängst bekannt gewordenen Aussagen aus dem Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern zeigen erneut, dass US-Regierungen schon Jahre vor Beginn des Ukraine-Krieges 2022 gegen Nord-Stream agierten.
Tatti weiter: „Am meisten irritiert mich, dass die deutsche Regierung den chinesischen Vorschlag einer internationalen Untersuchung durch die Vereinten Nationen ablehnt. Selbst bei den Ermittlungen nicht zu Potte kommen und zugleich solch einen Vorschlag ablehnen – das sieht schon sehr nach Vertuschung aus“, so Tatti: „Die chinesische Forderung ist absolut unterstützenswert.“
Hintergrund/Quellen:
8. Februar 2023: US-Investigativjournalist Seymour Hersh veröffentlicht „How America Took Out The Nord Stream Pipeline. The New York Times called it a “mystery,” but the United States executed a covert sea operation that was kept secret – until now.“ (seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream) „Im vergangenen Juni platzierten Taucher der US-Marine, die unter dem Deckmantel einer breit publizierten Nato-Hochsommerübung namens BALTOPS 22 operierten, den ferngezündeten Sprengstoff, der drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörte, so eine Quelle mit direkter Kenntnis der operativen Planung“, schreibt Hersh in seiner Story. Geholfen haben soll dabei Norwegen. (www.cicero.de/aussenpolitik/meistgelesene-artikel-2023-februar-nord-stream-2-usa-hersh)
13.06.2023: Wurden die Nord-Stream-Pipelines von einem Kommando aus der Ukraine zerstört? Der amerikanische Geheimdienst CIA soll Kiew laut Berichten vor dem Sabotageakt gewarnt haben – tatsächlich verdichten sich die Hinweise. (www.spiegel.de/politik/deutschland/nordstream-cia-warnte-ukraine-vor-anschlagsplaenen-a-c944da91-3138-42e8-b6f1-fdd2bf127e05)
Der niederländische Militärgeheimdienst MIVD soll bereits Monate vor der Sprengung die amerikanischen und deutschen Dienste über Hinweise auf ein geplantes ukrainisches Kommandounternehmen (Militärs) zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines informiert haben (www.nachdenkseiten.de/?p=99245).
8. April 2024: In ihrer Antwortschrift zur Nord-Stream-Klage verweisen die britischen Versicherer Lloyd’s of London und Arch darauf, dass der Versicherungsvertrag mit Nord Stream Kriegsschäden ausdrücklich ausschließe – und weigern sich zu zahlen (www.nachdenkseiten.de/?p=114565). Solche „Kriegsklauseln“ seien bei privaten Versicherungen vollkommen normal, die Definition, was ein Kriegsschaden ist und was nicht, ist jedoch strittig. Lloyd’s und Arch verweisen darauf, dass die Sprengung von Nord Stream 1 „nur – oder mit hoher Wahrscheinlichkeit – von einer Regierung oder auf deren Befehl hin verursacht werden konnte“. Dies stehe in direktem Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg und sei demnach ein kriegerischer und kein terroristischer Akt; gegen Letzteren wäre die Pipeline sehr wohl versichert.www.dropbox.com/scl/fi/y8ezf3pjdjpp2npp7fpog/2024-04-08-Nord-Stream-v-1-LIC-and-2-Arch-CL-2024-000094-Defence.pdf?rlkey=tpptejx0c9d7c2ncjposv9l9a&e=2&dl=0 (siehe Punkt 22.2.)
26.05.2024: Der deutsche Generalbundesanwalt Jens Rommel ließ dem NDR Ende Mai auf Anfrage zum Stand der Ermittlungen mitteilen: „Die Bundesanwaltschaft steht mit den Ermittlungsbehörden anderer Staaten im Austausch.“ Zu Details der internationalen Zusammenarbeit sowie zur Anzahl der mit den Untersuchungen befassten Personen äußere man sich grundsätzlich nicht. „Aufgrund der laufenden Ermittlungen können keine weitergehenden Auskünfte erteilt werden.“
www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Nord-Stream-Anschlaege-Darum-drehen-sich-die-Ermittlungen-im-Kreis,nordstream946.html