Der Anteil an möblierten Wohnungen steigt immer weiter an, teilt der Mieterbund Reutlingen-Tübingen mit – der zugleich einen überdurchschnittlichen Anstieg der Mieten in diesem Marksegment beobachtet, gerade in Studentenstädten wie Tübingen.
Die Reutlinger Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti (BSW) wollte von der Bundesregierung wissen, wie hoch der Anteil möblierter Wohnungen an allen Vermietungen bzw. Mietinseraten in Deutschland ist und wie sich die Mieten in diesem speziellen Segment entwickeln. „Dass die Bundesregierung diese Fragen nicht beantworten kann oder will, ist völlig unverständlich“, kritisiert Tatti die dürftige Antwort. Schließlich habe das Bundesjustizministerium erst im Juni 2023 eine von ihm in Auftrag gegebene Studie über den möblierten Mietwohnungsmarkt veröffentlicht. Dazu Tatti: „Dass die Ampel nicht mal die Studien kennt, die sie selbst in Auftrag gegeben und mit Steuergeld bezahlt hat, ist einfach nur grotesk.“
Laut jener Studie bewegte sich der durchschnittliche Möblierungszuschlag bereits in den Jahren 2007 bis 2018 in ausgewählten Städten in der Spanne zwischen 3,53 und 7,04 Euro pro Quadratmeter: „Ein Zuschlag von bis zu 7 Euro pro Quadratmeter – das führt zwangsweise zu exorbitanten Mieten“, sagt Tatti. Und davon seien beileibe nicht nur einige wenige Menschen vor allem in Studentenstädten betroffen: Laut der Untersuchung ist das „möblierte Mietwohnsegment kein Nischenmarkt, sondern ein wesentlicher Teil des Mietwohnungsmarktes“. Demnach wohnten 2022 bereits rund 14% der Mieter in Deutschland in möblierten Wohnungen. Im gleichen Jahr betrafen etwa 27% der öffentlich zugänglichen deutschlandweiten Inserate möblierte Wohnungen – ein Anstieg von fast 50% binnen neun Jahren.
Die hohen Mieten für möblierte Zimmer könnten nur erreicht werden, indem Vermieter hierbei die ortsübliche Vergleichsmiete missachteten, so Tatti. Dabei gelten Mieterschutzvorschriften prinzipiell auch bei Möblierung. Das Problem: Für die Berechnung des Möblierungszuschlags existiert keine einheitliche Berechnungsmethode. Diese Unklarheit sowie die schiere Not vieler Wohnungssuchender führten dazu, dass Mietpreisbremse oder die Orientierung an der ortsüblichen Vergleichsmiete mittels Möblierung faktisch umgangen würden. Die Bundesregierung scheine daran auch nichts ändern zu wollen, kritisiert Jessica Tatti: „Wenn die Mieten immer schneller immer stärker steigen, bedeutet das große Belastungen bis weit in den Mittelstand hinein. Viele Menschen ächzen ohnehin unter der Inflation der vergangenen Jahre.“ Laut IW-Wohnindex stiegen die Mieten 2023 um über 5 Prozent, die Prognose für 2024 liegt ebenfalls bei über 5 Prozent Anstieg. Die BSW-Abgeordnete befürchtet: „Die Konkurrenz um viel zu wenige bezahlbare Wohnungen hat eine soziale Sprengkraft, die zu viele noch unterschätzen.“
„Das Mindeste ist, dass der Möblierungszuschlag bundesweit einheitlich berechnet und begrenzt wird. Der Anteil des Zuschlages muss im Mietvertrag transparent gemacht werden“, so Jessica Tatti. Mieterverbände fordern, den Zuschlag auf höchstens 1-2% des Zeitwerts bei Anschaffung der Möbel zu begrenzen. Zudem müssten Mieter Auskunft über den Zeitwert der Möbel erlangen und zwar in Schriftform durch Beifügung einer Inventarliste zu Beginn des Mietverhältnisses. Es gebe bereits Bundesratsinitiativen gegen die Auswüchse beim Möblierungszuschlag, so Tatti weiter: „Die Bundesregierung soll in dieser Frage auf die Länder Hamburg und Bremen hören.“
(www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/23/1034/1034-pk1.html#top-6)
Denn zugleich werde immer deutlicher, wie sehr der Neubau von erschwinglichen Mietwohnungen einbricht. Laut dem Münchner Ifo-Institut könnte die Zahl der neu gebauten Wohnungen im Jahr 2026 auf nur noch 175.000 absinken (2022: knapp 300.000 Wohnungen). Das von der Berliner Koalition beim Amtsantritt 2021 ausgegebene Ziel sind 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Jessica Tatti: „Der Bund muss jetzt 100 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften solide auszustatten.“Denn ohne erheblich mehr Eigenkapital könnten diese bei aktuellem Zinsniveau Neubaukaltmieten nicht unter 20 Euro pro Quadratmeter schaffen.
(jessica-tatti.de/bund-muss-kommunale-wohnungsbaugesellschaften-staerken/)
Hintergrund:
Angebot an möblierten Mietwohnungen
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass das möblierte Mietwohnsegment kein Nischenmarkt ist, sondern ein wesentlicher Teil des Mietwohnungsmarktes. Dies betrifft sowohl das verfügbare Angebot als auch die tatsächliche Wohnsituation: 2022 betrafen etwa 27% der öffentlich zugänglichen deutschlandweiten Inserate möblierte Wohnungen. Zudem wohnten 2022 ca. 14% der Mieter in Deutschland in möblierten Wohnungen – dies ergab eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage. Inserate möblierter Wohnungen haben zudem an Relevanz gewonnen. Der Anteil der Inserate möblierter Wohnungen an allen Mietwohnungsinseraten stieg sehr dynamisch zwischen Januar 2013 bis Januar 2022 (+45%).
Quelle: Untersuchung des möblierten Mietwohnungsmarktes 2023 (Oxford Economics im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz)
www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fachpublikationen/2023_Schlussbriicht_Untersuchung_moeblierter_Mietwohnungsmarktes.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Kein Ende der Mietpreisdynamik in Sicht
Die Mietpreise setzen im zweiten Quartal 2024 ihre starke Aufwärtsdynamik fort. Im Vergleich zum Vorquartal sind die Neuvertragsmieten um 1,4 Prozent angestiegen. Im Jahr 2023 lag der mittlere jährliche Mietpreisanstieg bei über 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Setzt sich die Mietpreisdynamik der ersten beiden Quartale im Jahresverlauf fort, wird die Mietpreisdynamik auf im Jahr 2024 ebenfalls über 5 Prozent liegen. Wie später im Sonderkapitel dieser Veröffentlichung beschrieben, ist der starke Mietpreisanstieg das Symptom zunehmender angebotsseitiger Knappheiten auf dem Mietwohnungsmarkt.
Quelle: IW-Wohnindex (Datenstand: Q2 2024) | Köln, 01.08.2024
www.iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-angebot-und-nachfrage-bestimmen-preise.html
Wohnungsbau verfehlt Zielmarke deutlich
Das Münchner Ifo-Institut erwartet in den nächsten Jahren eine fortgesetzte Talfahrt des Wohnungsbaus in Deutschland. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen könnte demnach im Jahr 2026 auf nur noch 175.000 absinken, das wären dann über 40 Prozent weniger als die knapp 300.000 Wohnungen des Jahres 2022. Das von der Berliner Koalition beim Amtsantritt 2021 ausgegebene Ziel sind 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Quelle: Statista, 31.07.2024
https://de.statista.com/infografik/29855/zahl-der-fertiggestellten-wohnungen-in-deutschland/?utm_source=Statista+Newsletters&utm_campaign=ee68f8e6ee-DE_DailyData_Wed_KW31_2024_MJ&utm_medium=email&utm_term=0_-3a02a53f77-%5BLIST_EMAIL_ID%5D