Jessica Tatti
MdB

Welche „Fähigkeitslücken bei Abstandswaffen“ haben die Nato-Mitglieder in Europa, und wie ist das genaue Kräfteverhältnis zwischen Russischer Föderation und NATO-Mitgliedern bei land-, luft- und seegestützten Marschflugkörpern und Mittelstreckenraketen – das wollte Jessica Tatti, MdB BSW, von der Bundesregierung wissen. „Schließlich begründet die Bundesregierung die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen mit angeblichen Fähigkeitslücken“, so Tatti: „Daher wäre es wichtig zu wissen, wie viele solcher Raketen die Nato heute schon in Europa hat – und wie viele Russland.“

Doch die Beantwortung eben jener Frage (hier geht es zur Antwort der Bundesregierung) verweigert die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium mit Verweis auf „Erwägungen des Staatswohls“. „Und was ist mit dem Wohl von mehr als 83 Millionen Menschen, die in diesem Land leben?“, fragt die Parlamentarische Geschäftsführerin des BSW, Jessica Tatti: „Bundeskanzler Scholz hat die Raketen-Stationierung nach dem Nato-Gipfel in Washington verkündet. Und jetzt verweigert die Bundesregierung konkrete Zahlen zu diesen Waffensystemen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Nato der Russischen Föderation schon heute überlegen ist.“

Oberst a. D. Wolfgang Richter hat sich die Ausstattung vor allem mit see- und luftgestützten Mittelstreckenraketen der Nato-Staaten in Europa genau angeschaut und kommt in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss: „Mehr als 3.000 solcher Wirkmittel sind derzeit im Bestand vieler Alliierter in Europa, etwa der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Spaniens, Polens, der Niederlande, Schwedens, Finnlands, Rumäniens, Griechenlands und demnächst auch der baltischen Staaten (ATACMS).“

Dazu Jessica Tatti: „Die Stationierung der US-Raketen muss verhindert werden. Deutschland gerät dadurch ins Visier russischer Nuklearraketen und das Risiko für einen Atomkrieg in Europa steigt. Die Bundesregierung muss Parlament und Öffentlichkeit jetzt Rede und Antwort stehen.“

In einer von Oberst a. D. Wolfgang Richter bereits im Juli bei der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichtenStudie wird ein neuer Rüstungswettlauf bei Mittelstreckenraketen in Europa befürchtet: „Die erwartbare russische Gegenstationierung nuklearfähiger Raketen wird Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Die absehbare Eskalation der Spannungen mit Russland wird (…) das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall gravierend erhöhen.“ Laut der Richter-Studie sind die See- und Luftstreitkräfte der Nato, auch in Europa, denen Russlands „qualitativ und quantitativ deutlich überlegen“, die Nato verfüge in Europa schon heute über eine große Anzahl von weit nach Russland reichenden Raketen, die von See und aus der Luft abgeschossen werden können (siehe auch „Hintergrund“).

Der von der Bundesregierung in ihrem Antwortschreiben behauptete Bruch des Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) durch Russland sei zumindest strittig, so Tatti: „Ich erinnere daran, dass auch Russland den USA seinerzeit Vertragsverletzungen vorgeworfen hat. Das Fatale war doch, dass die USA den russischen Vorschlag zu einer gegenseitigen Kontrolle der Abschussrampen und Raketen in Russland, Rumänien und Polen Anfang 2019 abgelehnt und den INF-Vertrag kurz darauf gekündigt haben.“
(siehe auch Richter-Studie, S. 9+10)


Hintergrund:

Wolfgang Richter: „Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland – Konzeptioneller Hintergrund und Folgen für die europäische Sicherheit“ (https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf).

Wolfgang Richter ist Oberst a. D., war Leitender Militärberater in den deutschen UN- und OSZE-Vertretungen und arbeitet jetzt als Associate Fellow beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Er beschäftigt sich u. a. mit der Europäischen Sicherheitsordnung und der stabilisierenden Rolle der Rüstungskontrolle.

Aus der Studie (S. 7):

Aus: Wolfgang Richter: Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland
(https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf)

Oberst a.D. Wolfgang Richter stützt sich in seinen Untersuchungen zu Mittelstreckensystemen in Europa u.a. auf die umfassende militärische Studie
„The Military Balance 2024“ des International Institute for Strategic Studies (IISS).
www.iiss.org/publications/the-military-balance/2024/the-military-balance-2024/

Eine andere Quelle ist Jasper Wieck, Politischer Direktor im Bundesverteidigungsministerium, der beschreibt, wie die neuen US-Raketen künftig russische Raketen in ihren tief im Landesinnern liegenden Silos oder auf Rampen zerstören, bevor diese gestartet sind – ein Erstschlag-Szenario: www.youtube.com/watch?v=DKdJncyyxYY&t=14s (ab Min. 08:10)

Jessica Tatti
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