Jessica Tatti
MdB

Jessica Tatti MdB BSW zum Sozialmietwohnungsbau in Deutschland:

„Bund muss kommunale Wohnungsbaugesellschaften stärken!“

„Besonders düster ist die Bilanz im Südwesten“

Die Zahl der Sozialmietwohnungen in Deutschland ist mit 1,07 Millionen Ende 2023 auf einem Tiefststand angekommen. 1990 gab es in Deutschland noch annähernd 2,9 Millionen Sozialwohnungen. Nach Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jessica Tatti (Bündnis Sahra Wagenknecht) wurden 2023 lediglich 23.062 geförderte Mietwohnungen neu gebaut – nur rund 500 mehr als 2022 und nicht einmal ein Viertel der im Koalitionsvertrag versprochenen 100.000 neuen Sozialwohnungen im Jahr. Der Großteil der Bundesmittel wurde für die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums verwendet. „Für den seit vielen Jahren darbenden Mietwohnungsbau fehlt nach wie vor das Geld“, kritisiert Tatti: „Das muss sich dringend ändern.“

„Die angebliche neue Wohngemeinnützigkeit der Bundesregierung ist Pseudo-Politik. Die Regierung lässt die Menschen weiter im Stich, die verzweifelt nach einer bezahlbaren Wohnung suchen“, so Tatti weiter, denn die jüngst beschlossene Wohngemeinnützigkeit betreffe nur eine verschwindende Minderheit der 37 Millionen Mieter in Deutschland
(siehe Hintergrund): „Wir brauchen einen Kraftakt beim Neubau von Sozialmietwohnungen. Der Bund muss die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften massiv mit Eigenkapital ausstatten, damit wieder viele Wohnungen mit günstigen Mieten entstehen.“ Denn ohne erheblich mehr Eigenkapital könnten diekommunalen Wohnungsbaugesellschaften bei aktuellem Zinsniveau Neubaukaltmieten nicht unter 20 Euro pro Quadratmeter schaffen. Das Geld vom Bund müsse strikt zweckgebunden für den Neubau von Sozialmietwohnungen sein.

„Der Bund muss jetzt 100 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften solide auszustatten.“ Finanziert werden solle das am besten über eine „Goldene Regel“, die von der Schuldenbremse ausgenommen wäre und es dem Staat erlaubt, Kredite im Umfang der Investitionen aufzunehmen, erläutert die Parlamentarische Geschäftsführerin der Gruppe BSW im Bundestag.

„Besonders düster ist die Bilanz im Südwesten“, so die Reutlinger Abgeordnete und BSW-Landesbeauftragte Tatti. Baden-Württemberg verzeichnete 2023 im Sozialwohnungsbau einen Rückgang um rund 37 Prozent – Schlusslicht unter allen Bundesländern. Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen legte im gleichen Zeitraum um fast 50 Prozent zu. „Dass ausgerechnet das reiche Baden-Württemberg beim Sozialwohnungsbau auch im Ländervergleich derart versagt, ist einfach nur blamabel.“

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Hintergrund:

Nach Prognosen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) nimmt der Bestand bis 2035 stetig ab, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird:
1990:                                       annähernd 2,9 Millionen Sozialmietwohnungen
2023:                                      1,07 Millionen
2035 (IW-Prognose):             rund 550.000
www.iwd.de/artikel/sozialwohnungen-bauen-im-blindflug-606819/

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte und am 5. Juni im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 vom Bundeskabinett beschlossene „Wohngemeinnützigkeit“ reicht nach Aussagen von kommunalen Wohnungsgesellschaften bei weitem nicht aus, um eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums zu bringen. Wie Ministerin Geywitz schreibt, würden „Soziale Unternehmen, Vereine und Stiftungen“ und damit lediglich „rund 105.000 Mieterinnen und Mieter profitieren“ (www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/Webs/BMWSB/DE/2024/06/NWG.html); die vor Ort relevanten kommunalen Wohnungsbaugesellschaften können das neue Instrumentarium nach eigener Aussage gar nicht in Anspruch nehmen.

Nach Aussage der kommunalen GWG Tübingen (Geschäftsführer Uwe Wulfrath) wäre eine Ausstattung der kommunalen Wohnungsgesellschaften in Deutschland mit deutlich mehr Eigenkapital ein entscheidender Faktor zur Schaffung von bezahlbarem Mietwohnraum: Je mehr Eigenkapital, desto geringer die Lasten für Zins und Tilgung (die wiederum auf die Mieten umgelegt werden müssten). Ohne diese Kapitalspritze sei der Wohnungsneubau mit Kaltmieten von unter 20 Euro/Quadratmeter nicht machbar.
Beispielrechnung für Tübingen: Wohnbaukosten von rund 5000 Euro Quadratmeter Wohnfläche. Bei Zinsen von 3,5 % = 175 Euro/Jahr = 14,58 Euro/Monat nur für die Zinsen, hinzu kommen Tilgung, Rücklagen für Sanierung/Instandhaltung, Personal- und Verwaltungskosten = fast 24 Euro/Quadratmeter/Monat.

Statistisches Bundesamt zu Baufertigstellungszahlen 2023 ( -> auch Bundesländer):
www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/Webs/BMWSB/DE/2024/05/baufertigstellungen.html

Jessica Tatti
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