Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/13407 ergeben sich für die Fragesteller Nachfragen, wie etwa zur Höhe der Überstunden im Homeoffice nach Stellung im Beruf. Um eine bessere Einschätzung der Überstundenlage zu erhalten, ist nach Ansicht der Fragesteller auch eine detailliertere Differenzierung der Überstunden nach Berufen und Branchen notwendig.
Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Überstunden in Deutschland“ (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundesdrucksache 19/15098) von Jessica Tatti u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse:
Rund 14 Prozent der Beschäftigten (13,7-13,8 Prozent) arbeiten regelmäßig mehr als 48 Stunden in der Woche; darunter 3,2 Prozent 60 Stunden und mehr. Männer (19,8 Prozent) arbeiten dabei deutlich häufiger überlange als Frauen (6,8 Prozent). Am stärksten betroffen sind zudem Beschäftigte im Alter von 25-34 Jahren (15 Prozent) und im Alter von 45-54 (14,4 Prozent). Beschäftige in Sicherheits- und Verkehrs-und Logistikberufen sind am meisten betroffen (27,4 Prozent / 24,8 Prozent). (Frage 4, Tabelle 14 sowie Drs. 19/15098 Frage 18, Tabelle 50).
Nach neusten Zahlen des IAB wurden 2019 1,9 Milliarden Überstunden geleistet, rund die Hälfte davon 957,2 Mio) unbezahlt. Ein Drittel der Beschäftigten mit mehr als zwei Überstunden in der Woche geben als Grund an, die Arbeit in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht zu schaffen. Insgesamt entstehen 80 Prozent der Überstunden aus betrieblichen Zwängen – vier Prozentpunkte mehr als 2015 (Drs. 19/15098 Frage 14, BT-Drs. 19/6187 Frage 15). 2018 hatten Unternehmen rechnerisch 34,2 Milliarden Euro an Lohnkosten durch Nichtbezahlung von Überstunden gespart. (Auf Basis der durchschnittlichen Arbeitskosten je geleistete Stunde 2018 (35,00 €/h) laut Statistischem Bundesamt. Laut IAB leisteten abhängig Beschäftigte im Jahr 2018 2,02 Milliarden Überstunden, wovon 1,04 Milliarden Überstunden bezahlt (51,5 Prozent) und 978 Millionen Überstunden unbezahlt (48,5 Prozent) waren.)
Lange Arbeitszeiten gehen nachweislich mit einer schlechteren Gesundheit einheriii. Durch lange werktägliche Arbeitszeiten reduziert sich die Freizeit der Beschäftigten, mit Auswirkungen auf die soziale Teilhabe und die Erholung. Viele Beschäftigte mit Arbeitszeiten von 48 Stunden und mehr wünschen sich eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit.iv Ab der achten Stunde wird Arbeit unproduktiver – und damit auch ineffizienter. Die Unfallgefahr steigt exponentiell mit der Überlänge der Arbeitszeit an. Bereits nach einer Arbeitszeit von zwölf Stunden ist die Unfallrate im Vergleich zu acht Stunden um das Zweifache erhöht. Beschäftigte mit langen Arbeitszeiten bewerten ihre Work-Life-Balance tendenziell schlechter und zeigen größere Konflikte zwischen Arbeit und Familie.
Mein Kommentar zu den Ergebnissen:
„Stress und Leistungsdruck gehören für viele zum Arbeitsalltag. Viele Beschäftigte schaffen ihr Arbeitspensum nicht in der vertraglichen Arbeitszeit, Überstunden werden zum Regelfall. Völlig inakzeptabel ist, dass die Hälfte aller geleisteten Überstunden auch 2019 unbezahlt blieben. So sparen Arbeitgeber Jahr für Jahr mehrstellige Milliardenbeträge. Das ist Lohndiebstahl – auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten.
Ab der achten Stunde sinkt die Konzentration und steigt das Unfallrisiko bei der Arbeit rasant an. Wenn die Arbeit in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit dauerhaft nicht leistbar ist, müssen Unternehmen mehr Personal einstellen. Wer als Arbeitgeber zuschaut, wie sich Beschäftigte krank schuften, handelt verantwortungslos. Arbeitszeiten müssen vollständig dokumentiert und generell stärker kontrolliert werden. Die Bundesregierung muss endlich handeln.“
Jessica Tatti, MdB, Sprecherin für Arbeit 4.0 der Fraktion DIE LINKE im Bundestag